Mein Buch „Austeilende Ungerechtigkeit. Wie die Wohlhabenden sich am Steuerstaat bereichern“ stellt eine umfassende Kritik unseres Steuersystems dar. Anhand vieler Beispiele beschreibe ich das deutsche Steuersystem als eine Maschinerie der Umverteilung von „unten nach oben.“
In loser Folge gehe ich auf diverse Ungerechtigkeiten ein. So nach dem Motto: Der Steuerskandal der Woche…
„Wer den kleinen und großen Ungerechtigkeiten unseres Steuersystems im Detail nachgehen will, wird hier fündig. Es ist keine erquickliche Reise. Aber nur wenn wir verstehen, welche Quelle der Privilegierung von Superreichen es gibt, können wir politisch dagegen vorgehen.“ Gerhard Schick (Gründer der Bürgerbewegung Finanz-Wende e.V.)
Der Steuerskandal der Woche:
Koalitionsvertrag: Privilegien bleiben
Der Koalitionsvertrag zwischen der Union und der SPD enthält einige Passagen zum Steuerrecht. Am ungerechten Steuersystem ändert sich nichts. Im Gegenteil: Neben Sonderabschreibungen für Ausrüstungsinvestitionen und der schrittweisen Senkung der Körperschaftsteuer werden nunmehr Restaurantbesuche dem begünstigten Umsatzsteuersatz von 7 Prozent unterworfen. Die Kilometerpauschale wird vom ersten Kilometer auf 38 Euro-Cent erhöht. Also wieder eine Klientelpolitik zugunsten der Besserverdienenden. Und ökologisch kontraproduktiv, weil das Autofahren weiterhin gefördert wird. Dabei sind die Benzinpreise – kaufkraftbereingt – niedriger als 1981, wobei der Verbrauch pro Kilometer zudem stark gesunken ist. Dienstwagenprivileg, Splittingtarif und die niedrige Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge bleiben, ebenso die Begünstigungen bei der Erbschaftsteuer. Auch der von der Gastrolobby durchgesetzte Mehrwertsteuersatz von 7 % bei Hotelübernachtungen bleibt. Lediglich bei dem vorgesehenen Mindesthebesatz bei der Gewerbesteuer könnten Scheinansiedlungen vielleicht gestoppt werden. Aber die Erhöhung von 200 Prozent auf angepeilte 280 Prozent wird in der Praxis nicht viel helfen. Sogar die minimale Erhöhung der Luftverkehrsteuer soll zurückgenommen werden. Fazit: Unser Steuerrecht bleibt weiterhin unsozial und ökologisch kontraproduktiv.
Der Steuerskandal der Woche:
Wo spekulieren die Reichen?
Richtig: an der Börse, auf steigende oder sinkende Aktienkurse, Rohstoff- oder Getreidepreise, sogar auf Währungen kleiner Länder. Wo spekulieren die Armen? Richtig: In den Spielhallen und am Lottoschalter. Und wer zahlt dafür Steuern? Natürlich die Armen die auf den Superlottogewinn hoffen. Denn generell korrespondiert der durchschnittliche Lottospielertyp mit einer niedrigen Statusposition wie niedriger Bildung und geringem Einkommen. Dafür zahlen sie 20 Prozent auf ihren Einsatz an Rennwett- und Lotteriesteuer. Das Spekulieren an den Börsen ist dagegen steuerfrei, denn es gibt keine Börsenumsatzsteuer mehr. Diese wurde 1991 im Zuge des neoliberalen Finanzmarktförderungsgesetz in Deutschland abgeschafft. Seitdem gibt es Bestrebungen von Nichtregierungsorganisationen wie Oxfam oder Attac eine Finanztransaktionssteuer einzuführen. Sogar der Internationale Währungsfonds sprach sich dafür aus. Nicht zuletzt auch zur besseren Regulierung der Kapitalmärkte. Die Vorschläge liegen bei 0,1 Prozent für Aktientransfers und 0,01 Prozent beim Derivathandel. Die möglichen Einnahmen werden für die Europäische Union auf ca. 50 Milliarden Euro jährlich geschätzt, die dringend für die Sanierung der Haushalte benötigt würden. Und wo spekulieren die Reichen noch? Richtig: beim Handel mit Gold. Dort wird keine Mehrwertsteuer erhoben und wenn das Metall oder Zertifikat ein Jahr gehalten wird, dann gibt es auch keine Spekulationssteuer.
Der Steuerskandal der Woche:
Spenden – Kaninchenzüchtervereine versus ATTAC
Nach § 10 b des Einkommenssteuergesetzes kann man Spenden von der Steuer absetzen. Wohlhabende profitieren in doppelter Weise von dieser Vorschrift des Steuerrechts. Spenden können bis zu 20 Prozent des
Gesamtbetrags der Einkünfte geltend gemacht werden und es tritt der umgekehrte Progressionseffekt ein. D.h. ein Bezieher mit einem Einkommen von über 100.000 Euro bekommt fast 500 Euro von einer Spende über 1.000 Euro zurück. Ein Auszubildender, der 100 Euro spendet, bekommt nichts, denn er zahlt keine Steuern.
Spenden haben eine soziale Komponente, denn der Empfänger muss ein gemeinnütziger Verein sein. Wer gemeinnützig ist, entscheidet das Finanzamt (§ 52 Abgabenordnung). Vereinen, die sich für ein gerechteres
Steuersystem eingesetzt haben, wurde jüngst durch Gerichtsbeschluss der Status der Gemeinnützigkeit entzogen. Es handelt sich dabei um den Verein Attac und um den Verein Campact. Attac heißt in der deutschen Übersetzung „Vereinigung zur Besteuerung von Finanztransaktionen im Interesse der BürgerInnen.“ Und Campact setzt sich lt. Satzung für soziale Gerechtigkeit, gleiche Bildungschancen und demokratische Teilhabe ein. Nach Auffassung der Richter am Bundesfinanzhof sind das Ziele, die nicht dem Gemeinnutz dienen. Spenden an Karnevals- und Kaninchenzüchtervereine ebenso wie Vereine zur Förderung des Hundesports sind weiterhin steuerbegünstigt.
Der Steuerskandal der Woche:
Leistungsprinzip umgekehrt
„Leistung muss sich wieder lohnen“, so wirbt nicht nur die FDP für Steuersenkungen. Während tatsächlich viele Arbeitnehmer unter der steigenden Steuerprogression leiden, gilt für viele Reiche: Wenig Steuern auf leistungsloses Einkommen: Kapitalerträge (Zinsen, Dividenden, Kursgewinne) werden pauschal mit 25 Prozent besteuert. Veräußerungsgewinne auf Immobilien bleiben weitgehend steuerfrei. Die Vermögensteuer wurde 1998 ausgesetzt und große Erbschaften – wenn sie denn aus einem Betriebsvermögen stammen – sind ebenfalls steuerbefreit. Die großen Vermögen in der Bundesrepublik sind meistens „anstrengungslos“ zustande gekommen, weil ererbt oder minimal versteuert. Der Soziologe Sighard Neckel bringt es auf den Punkt: „Wenn Sie auf den Jahrmarkt gehen und Sie ziehen ein Gewinnlos, wird Ihnen niemand auf die Schulter klopfen und sagen: Das ist aber eine prima Leistung gewesen.“
Der frühere FDP-Vorsitzende, Guide Westerwelle, sprach einmal von einem „anstrengungslosen Wohlstand“ und meinte damit die Hartz-IV-Empfänger. Heute ist gerade umgekehrt: Der anstrengungslose Wohlstand trifft für viele Reiche, insbesondere für Erben großer Betriebsvermögen, zu. Der Gesetzgeber schafft es aber nicht, Erbschaften angemessen zu besteuern. Und wer ist gleich für die Abschaffung der Erbschaftsteuer? Eine unheilige rechts-konservative Allianz, die vom ehemaligen Landesgruppenchef der CSU, Peter Ramsauer, über den Vorsitzenden der Freien Wähler, Hubert Aiwanger bis zur AfD reicht, also von Protagonisten, die sich gerne für den „kleinen Mann“ einsetzen. Aiwanger spricht sogar von einer „Neidsteuer“.
Ganz anders sieht es die Bayerische Verfassung in Art. 123: „Die Erbschaftsteuer dient auch dem Zweck, die Ansammlung von Riesenvermögen in den Händen einzelner zu verhindern.“
Der Steuerskandal der Woche:
Ein Oldtimer als Dienstwagen?
Das Dienstwagenprivileg kostet lt. einer Studie des Umweltbundesamtes den Steuerzahler jährlich ca. 4,5 Milliarden Euro. Im Einzelfall kann der Steuervorteil geradezu absurde Ausmaße annehmen.
Beispiel: Ein freiberuflicher Rechtsanwalt, der auch noch Steuerberater ist, führt einen Oldtimer – natürlich als betriebliches Fahrzeug. Sagen wir einen Porsche 911 aus den 70er Jahren. Damaliger Kaufpreis 20.000 DM. Unser Anwalt muss – gesetzlich festgelegt – ein Prozent des Listenpreises pro Monat als private Nutzung versteuern. Das sind 200 DM, also 103 Euro – macht im Jahr 1.236 Euro. Dafür kann er alle Kosten für das Auto von der Steuer absetzen: Benzin, Service, Reifen, Steuer, Versicherung und natürlich die Reparaturkosten.
Wenn die Generalüberholung des Oldtimers 6.000 Euro kostet und die übrigen KFZ-Kosten 4.000 Euro ausmachen, dann hat der Oldtimerfan einen steuerlichen Vorteil von 8.764 Euro (10.000 minus 1.236). Bei einem Grenzsteuersatz von 42 Prozent (inkl. Soli) macht dies ca. 3.800 Euro aus. Dazu kommt noch der Vorsteuerabzug auf Reparaturen und Benzin. Insgesamt beträgt die Steuerersparnis ca. 5.000 Euro im Jahr – auf Kosten der Gesamtheit der Steuerzahler versteht sich.
Alles legal, sagt der Bundesfinanzhof als höchstes deutsches Steuergericht, denn nur Segel- und Motorjachten gelten nach § 4 Abs. 5 Nr. 4 EStG als nicht abzugsfähige Ausgaben. Auch wenn unser schlauer Anwalt fast nur private Fahrten durchführt, ist dies ohne Belang, denn dies wird nicht einmal geprüft, da die Pauschalversteuerung ja gerade die Finanzämter entlasten soll.
Übrigens: Wenn unser Rechtsanwalt sich einen neuen Porsche als Dienstwagen leisten wollte, müsste er 15.600 Euro als private Nutzung versteuern (1 Prozent des Kaufpreises von 130.000 Euro x 12 Monate).
Der Steuerskandal der Woche:
Warum bekommen Reiche mehr Kindergeld?
In Italien bekommen Eltern mit einem Einkommen von mehr als 75.000 Euro kein Kindergeld mehr. In Deutschland ist es gerade umgekehrt: Wohlhabende erhalten vom Finanzamt bis zu 100 Euro mehr an Kindergeld. Dies liegt daran, dass zunächst alle Eltern einen Betrag von aktuell 250 Euro im Monat an Kindergeld bekommen, im Steuerbescheid aber Kinderfreibetrag gegengerechnet wird. Der Kinderfreibetrag beträgt im Jahr 2024 zusammen mit dem Betreuungs- und Ausbildungsfreibetrag 9.312 Euro und wirkt sich über die Steuerprogression aus. Bei einem Steuersatz von 42 Prozent mit Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer beträgt die Steuerersparnis ca. 4.200 Euro, also 1.200 Euro mehr als das jährliche Kindergeld in Höhe von 3.000 Euro, sprich 100 Euro im Monat. Steuerpflichtige, die den Reichensteuersatz von 45 Prozent bezahlen, erhalten sogar ca. 120 Euro mehr im Monat.
Es kommt aber noch besser für die Reichen: Eigenes Einkommen und Vermögen des Kindes spielt für den Kindergeldbezug, bzw. für den Kinderfreibetrag keine Rolle. Hat ein Kind von seinen Eltern schon eine Immobilie und ein dickes Aktienpaket – zur Vermeidung einer späteren Erbschaftsteuer – erhalten, wird dies nicht angerechnet. So kann es vorkommen, dass es Kindergeld und Kinderfreibeträge für Millionärseltern gibt, selbst auch dann, wenn die Kinder selbst schon Millionäre sind.
Der Steuerskandal der Woche:
Haben Sie auch eine Finca auf Mallorca?
Wenn ja, dann wissen Sie bestimmt, dass man den dortigen Gärtner – wahlweise auch Hausmeister – von der deutschen Einkommensteuer absetzen kann. Das geht so: § 35 a des Einkommensteuergesetzes begünstigt „haushaltsnahe Dienstleistungen“, also auch die Bezahlung unseres Gärtners auf der Ferieninsel, denn die Regelung gilt für die gesamte Europäische Union. Unser Finca-Besitzer könnte aber einwenden, dass nur 20 Prozent von maximal 20.000 Euro begünstigt sind, also nur 4.000 Euro. Da es auf der Finca aber immer etwas zu reparieren gibt, gewährt ihm der deutsche Gesetzgeber noch einen Abzug für Handwerkerleistungen. Hier sind maximal 6.000 Euro zu 20 Prozent begünstigt, also zusätzlich 1.200 Euro für unsere wohlhabenden Auslandsinvestoren.
§ 35 a EStG bietet noch mehr fragwürdige Steuergeschenke: Das Gassigehenlassen mit dem Hund ist nach der Rechtsprechung ebenfalls begünstigt, natürlich auch das Klavierstimmen und die Bezahlung des Hausmädchens.
Auch Normalverdiener kommen in den Genuss des § 35 a EStG, denn die Kosten für Aufzug und Hausmeister in einer Mietwohnung fallen auch darunter. Das werden aber nur wenige hundert Euro im Jahr sein. Der verwaltungstechnische Aufwand dafür ist aber groß, weil im Normalfall bei Abgabe der Steuererklärung die Abrechnung der Hausverwaltung noch gar nicht vorliegt. Der Steuerbescheid muss daher berichtigt werden und zweimal ergehen. Bürokratieabbau geht anders!
Der Steuerskandal der Woche:
Erwachsenenadoption und Erbschaftsteuer
Das Erbschaftsteuerrecht privilegiert nahe Verwandtschaftsverhältnisse, insbesondere wenn es um Eltern-Kind-Beziehungen geht. Je weiter der Verwandtschaftsgrad ist, desto geringer die Freibeträge bei der Erbschaftsteuer.
Beerbt etwa jemand seinen Onkel oder seine Tante, so verbleibt nur ein Freibetrag von 20.000 Euro. Findige Steuerjuristen und Steuerberater haben auch hier einen Ausweg gefunden: Die Erwachsenenadoption! Das adoptierte Kind wird nämlich im Verhältnis zu den Adoptiveltern wie ein leibliches behandelt. Zu den leiblichen Eltern bleibt das Kindschaftsverhältnis bestehen (§ 1770 I BGB).
Dies bedeutet am Beispiel einer Adoption durch einen kinderlosen Onkel oder einer kinderlosen Tante, dass das adoptierte Kind einen Freibetrag in Höhe von jeweils 400.000 Euro im Verhältnis zu seinen Adoptiveltern erhält. Gleichzeitig gilt die günstigere Steuerklasse I. Es kommt aber noch viel besser für unseren adoptierten Neffen: Der Freibetrag von jeweils 400.000 Euro bleibt in Beziehung zu seinen leiblichen Eltern ebenfalls bestehen.
Damit ist aber mit den steuerlichen Privilegien noch nicht Schluss. Bewohnt der Neffe oder Nichte das vererbte Eigenheim von Onkel und Tante nach deren Tod selbst, so ist dieses in Gänze steuerfrei. Im Einzelfall kann eine Millionenerbschaft also komplett steuerfrei sein. Eigentlich ein Skandal! Daher fragt man sich, warum der Gesetzgeber solche steuerliche Umgehungsstrategien zulässt.
Ein kleine juristische Hürde wurde dann doch eingebaut: Die Adoption soll sittlich gerechtfertigt sein, d.h. es muss eine nachhaltige innere Verbundenheit zwischen Adoptiveltern und dem Adoptivkind bestehen; eine Aufnahme in den Haushalt der Adoptiveltern ist nicht notwendig.
Eine Erwachsenenadoption kostet etwa 300 Euro an Gerichstgebühren. Im Verhältnis von Erbschaftsteuern bis zu mehreren Hunderttausend Euro eine marginale Investition. Dutzende von Rechtsanwaltskanzleien propagieren ganz offen die Erwachsenenadoption. Die „sittliche Rechtfertigung“ muss ja glaubhaft dargestellt werden, keinesfalls darf die Steuerersparnis im Vordergrund stehen. Wie viele Erwachsenenadoptionen es gibt, weiß niemand. Eben so wenig weiß man darüber, wie viel Erbschaftsteuern dadurch gespart wurden.